RUTZEN AMPS HELLFIRE TEST

HELLFIRE AMP TEST VON MUSIC & STUFF

RUTZEN AMPS HELLFIRE TEST

Vorwort

Weniger kann mehr sein

Mit dem „Hellfire“ zeigt Rutzen Amplification, dass man überirdisch fette Röhrensounds auch etwas kleiner haben kann.

Mit seinem Vollröhrenmonster „The Beast“ zeigte Markus Rutzen von Rutzen Amplification gleich mal, wo der Hammer in Sachen Tube Amp hängt. Doch nicht jeder Gitarrist braucht so viel Leistung und drei Kanäle. Deshalb legt der schwäbische Hersteller jetzt mit dem kleineren „Hellfire“ nach. Wobei klein hier relativ ist – der Sound ist jedenfalls gigantisch.


Es sind aufregende Zeiten für Gitarristen: Wir haben die Qual der Wahl, egal ob es um Gitarren, Amps, Effekte oder Zubehör geht. Jedes Jahr kommen hunderte, wenn nicht tausende neue Produkte auf den Markt, und man kann sich sein Equipment wie maßgeschneidert für die eigenen Bedürfnisse auswählen. Neben den traditionellen Herstellern und ihren Klassikern gibt es auch immer mehr kleine Tüftler, die in Handarbeit feinste Produkte mit innovativen Ideen in Kleinserien herstellen. In diese Kategorie fällt auch Markus Rutzen mit seinen Rutzen Amps.

Vor zwei Jahren hatte ich schon das Vergnügen, den Rutzen „The Beast“ mit der passenden 4-x-12"-Box testen zu können, einen absolut herausragenden Dreikanaler in Vollröhrenbauweise mit satten 100 Watt Leistung, zwei Einschleifwegen und allem, was das Herz des Profigitarristen so begehrt. Mit knapp 30 kg Gewicht und gut 3.000 Euro für das Top ist das allerdings kein Amp für den Hausgebrauch, sondern ein absoluter High-End-Leckerbissen. Doch was, wenn man den Sound gerne eine Nummer kleiner hätte?

Dafür hat man bei Rutzen jetzt den „Hellfire“ im Programm, den kleinen Bruder des „The Beast“. Wobei klein wie gesagt relativ ist, denn auch der „Hellfire“ ist ein ganz schöner Brocken, aus dem Vollen gearbeitet und mit feinsten Bauteilen bestückt. Aber er kommt mit „nur“ 50 Watt Leistung, zwei Kanälen und einem Effektweg. Auch auf den Tuner Out muss man verzichten. Aber dennoch liefert der kleine Rutzen alles, was die meisten Gitarristen brauchen. Kurz gesagt sind das zwei erstklassig klingende Kanäle, zwei Master Volumes, Einschleifweg – und das alles ist per MIDI steuerbar. Das klingt doch bestens, oder?

RUTZEN AMPS HELLFIRE TEST

Der Sound macht's

Nun ist man beim „Hellfire“ zwar auf zwei Kanäle beschränkt, diese sind aber so gelungen, dass man absolut nichts vermisst. Die erste positive Überraschung ist der Clean-Kanal. Absolut übersteuerungssicher, extrem dynamisch und ausgesprochen räumlich bläst er einen einfach um. So feinfühlig reagiert er auf jede Nuance des angeschlossenen Instruments und des Spielers, so massiv, aber immer wohlklingend kann man mit der ausgefuchsten Klangregelung den Sound optimieren. Das hört man in der Qualität ausgesprochen selten, vor allem wenn man bedenkt, was passiert, wenn man dann in Kanal 2 wechselt.

Denn Amps mit tollem Clean- oder Zerrkanal gibt es schon ab und an. Aber dass aus einem Topteil sowohl derart sanft perlende, glasklare Klänge kommen, und im nächsten Moment ein derart massives Brett – da muss man schon lange suchen. Was uns zu Kanal 2, genannt Lead, bringt. Der ist allerdings nicht nur für Soli genau das Richtige, sondern deckt alles von rauem Crunch über massives High-Gain-Brett bis hin zu endlosen Leads wunderbar ab. Weiteres Plus: die Dynamik. Denn selbst wenn man das Gain weit aufdreht, kann man doch über seine Spielweise oder das Volume-Poti der Gitarre immer bis zu Cleansounds herunterregeln. So kann man auch mit „nur“ einem Zerrkanal ein weites Feld verschiedenster Zerrklänge abdecken.

Wobei ich persönlich ich mich dann doch immer wieder dabei erwischt habe, das massive Brett, dass der „Hellfire“ erzeugen kann, voll abzurufen – übrigens auch gerne mit weit heruntergestimmten Gitarren. Denn weder das Top noch die dazugehörige Box, die wir zum Test bekommen haben, waren auch bei Drop A-Tuning nur ansatzweise in die Knie zu zwingen. Absolut beeindruckend. Es gibt kaum etwas Geileres, als mit einer tollen Gitarre vor einem weit aufgerissenen Amp dieser Qualität zu stehen und sich einfach wegblasen zu lassen. Und der „Hellfire“ toppt für meinen Geschmack klanglich den „The Beast“ sogar noch etwas – es könnte aber auch sein, dass der große Bruder mittlerweile noch besser ist als vor zwei Jahren. Herr Rutzen tüftelt schließlich immer weiter.

Übrigens harmonierte der „Hellfire“ auch bestens mit verschiedensten Effekten. So kann man beispielsweise auch mit einem feinen Overdrive aus dem Clean- einen wunderbaren Crunchkanal machen. Oder den Zerrkanal eher sanft zerrend einstellen und dann mit einem Distortion-Pedal noch einen Extrakick draufsetzen. Die Möglichkeiten, den Sound zu individualisieren, sind hier wirklich grenzenlos. Nur einen Sound zu erstellen, der nicht toll klingt, das ist wirklich nicht leicht. ;)

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Perfekt umgesetzt

Also, der Rutzen ist absolut erstklassig und unheimlich robust gebaut – und er klingt einfach wunderbar. Was will man noch mehr? Naja, so ein toller Amp soll natürlich auch optimal mit dem Rest des Setups harmonieren. Dass das Top wunderbar mit vorgeschalteten Pedalen zusammenarbeitet, hatte ich ja schon erwähnt. Für alles andere gibt es einen parallelen Einschleifweg, dessen Mischverhältnis man mit dem Originalsignal per Poti stufenlos regeln kann. Darüber hinaus kann man alle Schalterzustände (also Master Volume 1 oder 2, Effektweg an/aus und die Kanalwahl) per MIDI steuern. Dass ist besonders dann interessant, wenn sich weitere MIDI-Geräte im Setup befinden. So kann man mit nur einem Knopfdruck sein komplettes Equipment umschalten. Der „Hellfire“ lernt dabei ganz leicht, was er tun soll. Einfach am MIDI-Board den gewünschten Kanal anwählen, am Rutzen alles nach Wunsch einstellen, MIDI-Learn drücken – fertig.

Ein ebenfalls sehr praktisches Extra ist der toll klingende DI-Ausgang im XLR-Format. Vermutlich werden die meisten Gitarristen doch lieber die Box mit ein oder zwei Mikrofonen abnehmen wollen, dennoch hat man so ein „Sicherheitssignal“, dass man dem Mann am Pult immer mitliefern kann. Zudem ist es recht reizvoll, das sehr trockene und direkte DI-Signal mit dem eher luftig-räumlichen Mikrofonsignal zu einem Gesamtsound zusammenzumischen. Das macht Laune.

Ein nettes Feature, um die Haltbarkeit des Amps beziehungsweise der Röhren zu maximieren, ist die Einschaltsteuerung. Der Hauptschalter für den Amp befindet sich auf der Rückseite. Ist dieser aktiviert und drückt man dann den Powerschalter, wird der Stand-by-Switch zunächst für 60 Sekunden blockiert, damit die Röhren in Ruhe aufwärmen können. Es sollte zwar eigentlich jeder Gitarrist wissen, dass man bei Röhrenamps lieber etwas wartet, bevor man Gas gibt, aber Vorsicht ist schließlich die Mutter der Porzellankiste. Da hat jemand mitgedacht, klasse.

RUTZEN AMPS HELLFIRE TEST

Fazit & Technische Daten

Was bleibt nun hängen? Nun ja, der Rutzen „Hellfire“ ist – noch – ein absoluter Geheimtipp. Vom Feinsten von Hand gefertigt befindet er sich klanglich sowohl im Clean- wie auch im Crunch- und High-Gain-Bereich in der absoluten Oberliga. Dazu kommen der durchdachte Aufbau und die praktischen Features die auch noch alle MIDI-steuerbar sind. Dieses Schätzchen aus deutschen Landen ist der perfekte Partner für Gitarristen, die ihren eigenen Sound entwickeln wollen und dazu einen Amp suchen, der jede Nuance ihres Spiels detailliert und höchst dynamisch umsetzen. Für das Gebotene sind die knapp 2.000 Euro ein mehr als fairer Preis – und die erstklassige Box sollte man sich später auch noch gönnen, da sie nicht nur optisch sondern auch klanglich bestens mit dem Top harmoniert. Antesten dringend empfohlen.

Bauweise

analoges Gitarrentop in Vollröhrentechnik

Röhren
Vorstufe 7 x 12AX7 Hi Grade; Endstufe: 2 x EL34BHT
Leistung 50 W RMS
Kanäle 2 (Clean, Lead); 2 x Master Volume
Anschlüsse
Front: Input; Back: DI Out, MIDI-In, MIDI-Through, FX Send, FX Return, 5 x Speaker Out (2 x 4 Ω, 2 x 8 Ω, 16 Ω)
Schalter

Front: Power, Amp On, Clean, Lead, FX, MIDI Learn, Master 2; Back: MIDI Channel

Regler

Channel 1: Volume, Depth, Mid Cut, Presence, Gain, Bass, Mid, Treble
Channel 2: Volume, Depth, Mid Cut, Presence, Gain, Bass, Mid, Treble
Master: Master, Master 2
Back: FX Mix

Gewicht
ca. 17,5 kg
Maße (H x B x T)
575 x 270 x 290 mm
Besonderes frequenzkorrigierter DI-Out, 2 Master Volumes, alles per MIDI speicherbar, Einschaltsteuerung
Hergestellt in
Deutschland, Handgefertigt

Wertung:
+ gebaut wie ein Panzer
+ beste Bauteile
+ erstklassige Sounds
+ extrem dynamisch
+ viele praktische Features
+ leicht in verschiedenste Setups einzubinden


Testbericht by Jan Hoffmann

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